Lesung: Katrin Bernhardt und Martina Jakobson
7210, Österreich
Katrin Bernhardt "Aufbrechen" und Martina Jakobson "Hier biegen wir ab"
Lyrikabend
Aufbrechen
Verbrenne meine Kleidung im Fluss / Wasche mein Gesicht im Feuer / Reinige mich von Unnötigem / Katharsis / In meinen löchrigen Schuhen / den Tag entlang / Die Zeit zeigt mir Zeichen / in einer Welt voller Plastikgeschirr
In herber Sprachharmonie verhandeln Katrin Bernhardts Gedichte das Thema Aufbrechen in verschiedenen Aspekten, beginnend mit der Sehnsucht nach einem anderen Leben, über das selbst- und fremdbestimmte Reisen, das Aufbrechen von Denkstrukturen, das Loslassen von Beziehungen bis hin zum Übertreten in eine andere Dimension. Nachdenklich und widerständig lässt Bernhardt dabei das Große, Politische im Kleinen, Alltäglichen sichtbar werden: die Fremdenfeindlichkeit beim Frühstück, die Leiden der Flucht im Klassenzimmer, die Entfremdung im öffentlichen Verkehrsmittel. Über all dem stehen Fragen, auf die es meist nur unangenehme Antworten gibt: Wieso haben wir es zugelassen, dass aus unseren großen Träumen so kleine wurden? Und wann ist es an der Zeit aufzubrechen?
Katrin Bernardt
geboren 1982, lebt und arbeitet in Bad Fischau-Brunn. Studium der Klassischen Archäologie und Philosophie. 2013 Doktorat. Artist in Residence, Künstleratelier Paliano (2022). Publikation von vier Lyrikbänden und eines Prosabands. In der edition lex liszt 12 sind die beiden Lyrikbände "Aufbrechen" (2020) und "Auf bittere Haut geschrieben" (2013) erschienen. Publiziert in Anthologien, Zeitschriften, im Internet und dem Rundfunk u.a. „wo warn wir? ach ja: Junge Österreichische Gegenwartslyrik“; Lichtungen – Zeitschrift für Zeitschrift für Literatur, Kunst und Zeitkritik; Ö1 Nachtbilder. Von 2004 bis 2013 Sängerin und Texterin der Band Xenesthis. Seit 2006 als bildende Künstlerin tätig. Malerei sowie Performances, interaktive Versuchsanordnungen, Installationen und Objekte zu den Themenfeldern Ritual und Gender.
Hier biegen wir ab
DIE SPRACHE IST MEIN UMHANG / geschoren / gewalkt/ ausgerollt / zugeschnitten / auf meine Zunge / Mutter hüllte mich darin ein ...
In ihren Gedichten durchstreift Martina Jakobson die Grenzlandschaft des Burgenlands, wo sie am Wegesrand auf Schauplätze der Erinnerung zwischen Ost und West stößt, am Saum der Welt unerwartete Ereignisse in den Raum einbrechen, etwas herangetragen wird, das rollt, sich löst, voranstürzt. Mit leichter Hand macht die Autorin Ambivalenzen sichtbar, alltägliche Objekte und Geschehnisse eröffnen Reisen in die Vergangenheit, Pfähle der Weingärten gemahnen an Grenzpfosten der Berliner Mauer, der Draht zum Binden der Reben an Maschendrähte. Hier trägt ein Gewitter Pfeilspitzen heran, dort mündet der Blick auf Mikropartikel in eine Plastik-Party, ein Jagdhund im Wald nebenan stöbert nach Knochen im hereinbrechenden Ukraine-Krieg. Die poetische Landschaft des Burgenlands verbindet sich mit einem länderübergreifenden kulturellen Gedächtnis tausender Jahre. Im Steinbruch der Erinnerung verschmelzen pannonische Steppenlandschaften mit eigenen Erfahrungen, die von großen gesellschaftlichen Umbrüchen künden und die Sichtweise auf Geschichte verschieben. Die Sprache als „rettender Anker“ knüpft auf lyrischen Streifzügen von der Pinka bis zur Havel einen schützenden Mantel.
Martina Jakobson
wurde 1966 in Berlin geboren und wuchs als Tochter eines deutschen Diplomaten und einer russisch-ukrainischen Übersetzerin in Ost-Berlin und Moskau auf. Sie ist Autorin, Kulturvermittlerin, Pädagogin und Literaturübersetzerin aus dem Russischen, Belarussischen und Französischen. Nach dem Studium der Slawistik und Romanistik an der Berliner Humboldt-Universität war sie am Lehrstuhl für Romanistik an der Universität Potsdam tätig sowie an der Alexander-von-Humboldt-Forschungsstelle der Akademie der Wissenschaften in Berlin. Sie lebt seit 2016 in Wien und im Südburgenland. In ihrer Übersetzung aus dem Russischen und Herausgabe erschienen u. a. die Lebenserinnerungen von Marina Tarkowskaja sowie u. a. die Gedichte Arsenij Tarkowskijs. Aus dem Belarussischen übertrug sie u. a. den Roman von Zmicier Vishniou Das Brennesselhaus, 2014 sowie u. a. die Lyrik von Volha Hapeyeva: Mutantengarten, 2020 (mit Matthias Göritz und Uljana Wolf).
Eintritt: Freie Spende
Vor Ort wird es einen Büchertisch geben.
Aus organisatorischen Gründen bitten um Anmeldung unter
Alle Daten
- 5. März 2024 19:00
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